Gesucht: Ein starkes Narrativ für eine erschöpfte Welt!

Die Macht der Geschichten

 

Warum haben Geschichten eine solche Macht über uns? Seit Anbeginn der Menschheit nutzen wir Geschichten, um die Welt um uns herum zu verstehen, Gemeinschaften zu formen und unsere Realität zu gestalten. Im Gegensatz zu anderen Lebewesen besitzt der Mensch die einzigartige Fähigkeit, komplexe Szenarien zu imaginieren, zukünftige Möglichkeiten zu durchdenken und kollektive Mythen zu erschaffen. Geschichten erschaffen unser Bild der Welt und damit sind sie Teil unserer Identität. Sie sind also viel mehr als nur Unterhaltung; sie sind Werkzeuge, die unsere Wahrnehmungen, unsere Entscheidungen und unser Verhalten tiefgreifend prägen. Nicht unbegründet gilt der Mensch als das „storytelling animal“, oder zu gut deutsch: als „erzählender Affe“.

Das Ende des ewigen Versprechens

 

Die Vorstellung von unaufhörlichem Wirtschaftswachstum als Weg zum Wohlstand ist tief in das moderne Denken eingebettet und wird im Hintergrund durch den genauso mächtigen wie geschichtsträchtigen "Mythos des technologischen Fortschritts" getragen. Zusammen versprechen sie kontinuierliche Verbesserung der Lebensstandards und dauerhaft wachsenden materiellen Gewinn. Das ewige Versprechen: Die nächste Generation wird es noch besser haben als die jetzige. Doch die Realität zeigt, dass dieses Wachstum Grenzen hat – Grenzen, die unser Planet immer deutlicher setzt. Der Glaube, dass Technologie alle unsere Probleme lösen kann, hat uns in eine gefährliche Abhängigkeit geführt, in der wir übersehen, dass sie heute gravierende negative ökologische und soziale Folgen hat. Diese unkritische Akzeptanz des technologischen Fortschritts als Allheilmittel trägt dazu bei, dass notwendige, tiefgreifende Änderungen in unserem Wirtschafts- und Lebensstil ausbleiben. Technologie alleine wird unsere Probleme nicht aus der Welt schaffen können - das ewige Versprechen ist an sein Ende gelangt.

Warum mehr Konsum nicht zu mehr Zufriedenheit führt

 

Trotz steigender materieller Wohlstandsniveaus zeigen zahlreiche Studien, dass der Glückspegel der Menschen bereits seit geraumer Zeit nicht im gleichen Maße zunimmt. Der kurzzeitige Dopaminschub, den ein neuer Kauf bietet, verflüchtigt sich immer schneller – ein Phänomen, das als Hedonistische Tretmühle bekannt ist. Menschen gewöhnen sich schnell an neue Standards und suchen ständig nach dem nächsten "High", das materielle Güter versprechen. Diese Suche führt zu einem Zyklus von ständigem Verlangen und letztendlicher Enttäuschung, der die Lebenszufriedenheit nicht dauerhaft verbessert. Im Gegenteil führt er bei immer mehr Menschen zu gravierenden Erschöpfungszuständen – es ist nicht mehr so einfach, ein guter Konsument zu sein.


"Der Mensch ist immer ein Geschichtenerzähler, er lebt umgeben von seinen Geschichten und den Geschichten anderer, er sieht alles, was ihm widerfährt, durch sie hindurch; und er versucht, sein Leben so zu leben, als würde er es erzählen."

(Jean-Paul Satre, Buch Nausea) 


Gar nicht so einfach ... 

 

... die Sache mit dem neuen Narrativ: Es muss die Verbindung zwischen unserem Wohlbefinden und der Gesundheit unseres Planeten stärken. Es muss den folgenschweren Irrtum berichtigen, wir stünden über der Natur. Es muss eine Geschichte sein, die Resilienz, Nachhaltigkeit und Interdependenz betont. Dieses Narrativ sollte uns nicht nur motivieren, unseren Lebensstil zu ändern, sondern uns auch zeigen, dass diese Änderungen zu einem reicheren, erfüllteren Leben führen.

 

Verzichtsnarrative bewirken genau das Gegenteil: Sie greifen das Selbstbild der Menschen an und erzeugen Widerstand statt Zustimmung. Das Verzichtsnarrativ bespielt ausschließlich die Angst vor einer ungerechten Entmündigung, die zur Bewältigung der Krise angeblich nötig sei. Statt inspiriert zu sein, fühlen sich viele durch die Forderung nach Verzicht in ihrer Lebensweise angegriffen, was zu Ablehnung und Ignoranz führt. Es geht darum, eine positive Geschichte zu erzählen, die persönliche und kollektive Erfolge feiert, die uns als empathische Spezies wieder in eine Reihe mit den anderen Lebewesen auf diesem Planeten führt. Es wird schnell klar: Sie steht damit im völligen Gegensatz zur herrschenden Ideologie. Das dürfte auch das große Problem damit sein. 


"Wenn nur endlich sich all jene Menschen von der Katastrophe bedroht fühlten, die tatsächlich von ihr bedroht sind, (nämlich nahezu alle), können sich auch all diese Menschen zu vernetzten Protagonisten einer Heldenreise wandeln. Jedes narrative Selbst im 21. Jahrhundert muss zwingend diese existenzielle Krise der Menschheit in eine positive Erzählung gießen können." (Samira El Quassil & Friedmann Karig, Erzählende Affen)


Wir haben die Macht!

 

Wir stehen an einem kritischen Punkt in unserer Entwicklung als Spezies. Viele Menschen haben bereits die Hoffnung auf eine entschlossene Wende aufgegeben - Klima-Doomismus boomt (“Doom” lässt sich mit “Untergang”, “Verhängnis” und “Unheil” übersetzen). Aber: Die Geschichten, die wir uns erzählen, haben die Macht, unserem Weg in die Zukunft selbst in kurzer Zeit eine neue Richtung zu geben. Ein neues, positives Narrativ, das uns bestärkt, mutige und nachhaltige Entscheidungen zu treffen, eine andere Idee von Wohlstand, kann für die notwendige neue Geisteshaltung sorgen. Die Frage ist nicht, ob wir uns ändern können, sondern ob wir uns ändern wollen. Lassen wir es nicht zu, dass zukünftige Generationen uns vorwerfen, nicht gehandelt zu haben, als es noch möglich war. 

 

Jede kollektive Heldenreise beginnt mit kleinen Schritten, vielen Schritten, auch Ihren Schritten. Starten Sie einfach zu Ihrer persönlichen Heldenreise. Die Herausforderung ist da - und die Antwort darauf kann nur ein echter BrainChange sein! 

#NarrativeChange #CulturalShift #SocialChange #PowerOfStories #CreateChange #ImpactfulStories #NewNarratives


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Kommentare: 1
  • #1

    BrainChange OldSchool (Sonntag, 28 Juli 2024 13:11)

    Ein paar Tage nach Verfassen des Blogbeitrags stolperten wir in dem Buch "Das große Narrativ für eine bessere Zukunft" von Klaus Schwab auf folgenden Narrativ-Vorschlag von Johan Rockström, renommierter Klimaforscher und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der nicht weit von unserem Ansatz entfernt liegt: „Jetzt, mitten im Zeitalter des Anthropozäns, in dem die Menschheit die dominierende Kraft des Wandels ist, müssen wir uns wieder mit dem Planeten verbinden, zu Verwaltern des Planeten werden und erkennen, dass der Planet Grenzen hat, die nicht verhandelbar sind. Die große neue Zukunft der Menschheit besteht darin, erfolgreich, gerecht und ertragreich zu sein – im sicheren Arbeitsraum eines stabilen Planeten. Das ist die große Herausforderung: zurückzukehren und sicher auf der Erde zu landen.“